NR1 JAHRESZEITEN
NR2 WISSEN & VERSTEHEN
NR3 PFAENDERWEG VORARLBERG
NR4 EUGEN RUSS SONNENHOF


UWE JAENTSCH
titel: WIR SIND DA WO SIE SIND
datum: donnerstag 8.august 2013
zeit: h19:00-23:00
ort: luggi gmeiner scheune, pfaenderweg bregenz
ausfuehrung in worten: frau judith reichart
organisation: frau costanza lanza di scalea

Eine Installation bestehend aus Stühlen, Bildern, Scheune, Haus und dessen Geschichte.
Arbeitsweise: Der künstlerische Prozess, welcher der Arbeit vorausgeht, ist sehr komplex und kontextuell ein immanenter Bestandteil, eine im Gegenstand der Arbeit innewohnende Eigenschaft. Das Umfeld, der Raum, in dem die Arbeit eingefügt ist, nimmt bei Uwe Jäntsch eine wichtige Position ein. Raum und Arbeit stehen in direktem Kontext zueinander, sie bedingen sich.
Der Vorplatz: Der Vorplatz der Scheune ist Teil des Ganzen. Uwe Jäntsch hat hier eine Installation aus rund 30 Stühlen komponiert. Sie ist bunt und erinnert an die 70er Jahre, als das Urlauben auf einem Campingplatz in Italien zum fixen Bestandteil jeden Familiensommers gehörte. All diese Stühle waren in der Scheune aufgetürmt und eingelagert. Früher, als der Hausherr noch lebte, standen sie im schönen gepflegten Garten des gegenüberliegenden Hauses unter den Obstbäumen in der Nähe des Bienenstockes, den er mit Eifer und Umsicht bewirtschaftete. Gerätschaften in der Scheune erinnern daran. Auch viele Geschichten werden erzählt.
Vom Atelier zum Ausstellungsraum: Uwe Jäntsch hat die Scheune für drei Wochen zu seinem Atelier gemacht. Öffnet man die großen Scheunentore zur Hangseite, erschließt sich ein Blick auf die umliegenden Häuser. Ein temporäres Künstleratelier mit Licht von hinten, ein idealer Ort zum Malen.
Früher einmal: Der verstorbene frühere Besitzer brannte leidenschaftlich Schnaps. Das Obst dazu pflückte er von seinen Bäumen. Früher einmal, da war seine Familie Großgrundbesitzer. Zum Hof gehörte viel Grund. Sie waren Bauern gewesen. Er und seine Schwester lebten nach dem Tod der Eltern weiterhin gemeinsam im elterlichen Haus gegenüber der Scheune. Das Haus ist um die 140 Jahre alt und hat eine wunderschöne Bauernstube. Die Räume sind niedrig und wurden im Winter mit dem Kachelofen warmgehalten. Er war stolz auf seinen Schnaps. Gerne bot er ihn den Nachbarn an. Nach und nach verkaufte er da und dort Gründe, auf denen neue Häuser errichtet wurden und Menschen mit ihren unterschiedlichen Gewohnheiten und Geschichten einzogen. Nach dem Tod seiner Schwester lebte er 15 Jahre alleine, nach seinem Tod stand das Haus vier Jahre leer. Ein Haus, das bis zum obersten Rand des Dachbodens mit Gegenständen des täglichen Lebens prall gefüllt war und mit Mühe und großem Aufwand befreit und entfettet wurde von Flaschen des Unwohlseins, von Bürden des täglichen Privaten. Nun wird das Haus wieder belebt und eine neue Geschichte beginnt.
Dekonstruktion: Für Uwe Jäntsch, der in seinen Arbeiten sehr politisch und sozialkritisch agiert und öffentliche Aktionen und Konfrontationen nicht meidet, ist die Dekonstruktion dieses Ortes mit seiner Geschichte ein absolutes Muss. Er arbeitet in den Räumen, in denen er ausstellt, und versucht zu leben, was gelebt wurde und was gelebt wird. Er holt das Innere hervor. Er jagt die Geschichte des Ortes an die Oberfläche, lässt verbindet sie mit der Gegenwart. Dabei achtet er auf den äußeren Rahmen, auf die „schöne“ Ästhetik der Bilder. Der innere Raum der Arbeiten ist komplex und vielschichtig. Hat man den Schlüssel dazu gefunden, beginnt die Geschichte und der innere und äußere Raum verschmelzen zu einer kritischen sozialpolitischen Figur.
Der Blick: Im Duktus einer überzeichnenden realistischen Sachlichkeit erarbeitet Uwe Jäntsch über einen Zeitraum von drei Wochen drei Bilder. Zwei Arbeiten sind Hinterglasmalereien und eines ist auf Holz. Er verwendet Lack. Es sind schöne Bilder, sie sind auf den ersten Blick farbig und froh. Dabei werden durch die für Uwe Jäntsch typische künstlerische Formgebung die Inhalte nicht auf den ersten Blick freigegeben. Erst auf den zweiten Blick, wenn die Geschichte dahinter aufgefächert und in Zusammenhang gebracht werden kann, erschließt sich die Arbeit.
Meditation: Die Hängung der Bilder im Inneren der Scheune, an der oberen Hälfte der zur Straße gelegenen Wand angebracht, verwandeln den Raum in eine sakrale Architektur. Man betrachtet die Bilder von unten aus. Wir sind unten, sie sind oben. Wie in einem kirchlichen Raum. Die Scheune wird zur Stätte der Meditation, der eigenen Reflexion.
Judith Reichart, Bregenz, Juli 2013

UWE JAENTSCH
titel: WIR SIND DA WO SIE SIND
datum: freitag 12.juli & samstag 13.juli 2013
zeit: 18:00–22:00h
ort: luggi gmeiner scheune, pfaenderweg bregenz
einfuehrung in worten: frau judith reichart
organisation: frau costanza lanza di scalea

1) es gibt angelegenheiten, die mir sehr wichtig sind und deshalb moechte ich in aller deutlichkeit meine neue arbeit ihnen und weiteren ober- und untermenschen aus bregenz oeffentlich mitteilen in einer alten scheune zwischen modernen weissen familienhaeusern mit grossen dunklen panoramafenstern. die nachbarn hier erzaehlen mir, dass der quatratmeter grund der kostspieligste in der stadt ist und deshalb hat jedes haus in meiner neuen nachbarschaft eine eigene zufahrtsstrasse mit seeblick und angestellte maehen den rasen.
2) die scheune ist grosszuegig gefuellt mit sinnlosen gegenstaenden des verstorbenen hausherrn aus der zeit der landwirtschaft. einige gegenstaende aus glas habe ich ausgesucht und diesen sinn eingehaucht mit aufwendiger hinterglasmalerei, besser noch, mein persoenliches werk in meiner heimat ordentlichen nach vorne getreten. gemalt immer bei tageslicht, wegen der grossen freude. der herr der hier wohnte, der den kindern immer schokolade zusteckte als sie nach der schule vorbeigingen, haette der sich in hinterglasbilder ausdruecken koennen, was er vielleicht nicht konnte oder wollte, dann habe ich das somit vollendet, sagen wir konzeptionell zumindest. allerdings habe ich ihn nie kennengelernt, nur seine spuren, die er hinterliess in seinen haeusern und auch sehr deutlich in meiner neuen nachbarschaft.
3) aber sie koennen meine neues werk nicht alle gleichzeitig besuchen, sondern nur in einzelfuehrung und sie sind dafuer mit den werken und mit mir einen augenblick alleine. als gutmachung, weil ich in den letzten jahren so wenig zeit fuer sie hatte. trotzdem muessen sie sich etwas gedulden bis sie aufgerufen werden in einer art wartesaal-istallation mit vielen gesammelten sitzgelegenheiten aus verschiedenen epochen auf dem parkplatz am eingang vor der scheune. austausch mit gespraechspartner bietet sich an, obwohl sie in einem gegenwaertigen kunstwerk sitzen.
uwe jaentsch

wir sind hier um zu verstehen
auch sie haben ihren baugrund von mir gekauft
ich habe ihnen meinen grund verkauft
vergessen sie nicht dass sie bei mir versichert sind
ihre bank ist da wo wir sind
ich klingle bei ihnen wenn sie schlafen
verstehen was wir wissen
herzlichen glueckwunsch fuer ihren baugrund
der teufel schlaeft nie


no ISBN